Bergbahnen in Wien
Teil 1 - Die Kahlenbergbahn

Berichterstattung: Franz Straka und Dipl.-Ing.(FH) Markus Müller

1872 machte man sich ans Werk, den Kahlenberg in Wien bahnmäßig zu erschließen. Dieses Vorhaben sollte bis zur Wiener Weltausstellung 1873 vollendet sein. Der geplante Verlauf sah folgendermaßen aus: vom Stationsgebäude in Nußdorf beginnend, mit einer Brücke die Kahlenbergstrasse übersetzend, hinauf zur Station Grinzing, weiter zur Station Krapfenwaldl und schließlich durch den Wald bis zur zur Endstation Kahlenberg. 1872 erteilte Kaiser Franz Josef I. die Konzession für eine Zahnradbahn nach dem System Riggenbach. Die Finanzierung der zweigleisigen Strecke sollte über den Verkauf von Aktien zu je 100 Gulden erbracht werden.


Garnitur im Bahnhof Nussdorf

Die Ablöse der Gründe verlief nicht so reibungslos, wie man sich dies vorgestellt hatte, was die Kapitallage ins Schwanken brachte. Man benötigte weitere 500.000 Gulden weshalb sich der Baubeginn bis zum Mai 1873 verzögerte. Nach diesen Anfangsschwierigkeiten ging die Errichtung zügig voran, wobei der Oberbau und der Unterbau dem der Rigibahn entsprachen. Nur die Schienen wurden stärker ausgeführt. Ein Problem gab es bei den Weichen, da es zur damaligen Zeit noch keine Zahnstangenweichen gab.

Darum verwendete man in den Endstationen Schiebebühnen zum Umsetzen der Lokomotiven. In der Talstation Nußdorf, wo sich der Bahnhof mit der Remise befand, wurden zusätzlich ein Restaurant, eine Werkstätte mit einer Pumpenanlage sowie ein Eishaus für die Brauerei Nußdorf errichtet. Am 4. März 1874 wurde die Strecke begutachtet und am 7. März 1874 zunächst eingleisig eröffnet. Erst am 1. April 1874 übernahm die Kahlenbergbahn-Gesellschaft den Vollbetrieb der Zahnradstrecke. In den ersten Jahren hatte man das Problem, dass die Konkurrenz durch die Drahtseilbahn sehr groß war.
Lokomotive der Zahnradbahn

Talwärts fahrende Garnitur vor der Kulisse des Kahlenbergs
Für die Zahnradbahn verbesserte sich die Situation, als die Drahtseilbahn in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Nun war die Zahnradbahn-Gesellschaft am Zug und erwarb die Seilbahn inklusive Hotel und verlängerte die eigene Trasse um ca. 600 m bis zur Anhöhe des Kahlenbergs. Damit erreichte die Bahn eine Länge von 5,5 km. 1885 hatte das Stationsgebäude in Nußdorf schon eine beachtliche Größe. Dies war von Vorteil, da sich die Fahrgastfrequenz enorm steigerte und die Verbindung mit der Dampftramway zur Zahnradbahn ihren Betrieb aufnahm.
Die Konzession für die Dampftramway vom Schottenring zum Zahnradbahnhof erhielt die Zahnradbahn, wobei die Betriebsführung die „Neue Tramway-Gesellschaft“ übernahm. Die Strecke wurde bis zum Lichtenwerderplatz (früher Linienamt) mit der Pferdeeisenbahn betrieben. Ab der Station Lichtenwerderplatz bis zur Zahnradbahn übernahmen die Dampftramway-Lokomotiven den Betrieb. 1876 kaufte man 2 Stück Zisternenwagen für den Wassertransport zum Hotel am Kahlenberg, womit man die Wasserversorgung von Nußdorf aus sicherstellen konnte. Ein weiteres Kriterium für die Gesellschaft war, dass alle Gebäude entlang der Strecke in gleicher Bauweise ausgeführt wurden und zwar in Riegelbauweiße. Die Station Krapfenwaldl erhielt noch zusätzlich einen Wasserturm, der über eine Pumpe aus einem Brunnen versorgt wurde. Der Behälter war notwendig da die Lokomotiven nicht über einen so großen Vorrat an Wasser verfügten, der bis zur Bergstation ausreichte.
1887 ließ die Kahlenberg-Gesellschaft einen werbewirksamen 22 Meter hohen Turm (Stephanie-Warte) errichten. Die Ziegel stammten vom abgerissenen Maschinenhaus der Drahtseilbahn und die Pläne entwarfen die Bauherren Feller und Hellmer. Das Arbeiten bei der Zahnradbahn war kein leichtes Unterfangen, da man damals vom Personal 14 Stunden und mehr verlangte. Für die Fahrgäste gab es damals bereits Kombi- und Abonnementkarten für Vielfahrer, Schulen und für Vereine. 
Ehemaliges Aufnahmsgebäude in Nussdorf

1912 unterbreiteten die Siemens-Schuckert Werke der Kahlenbergbahn ein Elektrifizierungsprojekt. Dies beinhaltete neben entsprechenden Motortriebwagen auch eine Unterstation sowie eine Zweiglinie zum Cobenzl. Eine Tageszeitung von 1912 berichtet, „Dass dies eine beschlossene Sache sei, die Elektrifizierung.“ Die Ausführung der Fahrleitung sah so aus, dass der Profildraht aus Hartkupfer von 70 mm² Querschnitt bestand und die Masten aus I-Profil und schmiedeeiserne Ausleger welche mittels doppelter Isolatoren und Schellen am Mast befestigt wurden. Für die gesamte Strecke wurden ca. 12.000 m Fahrleitung benötigt. Die Strecke sollte in 3 Stromabschnitte unterteilt werden, damit man bei einem Ausfall eines Abschnittes die anderen noch betreiben konnte. Für den elektrischen Betrieb benötigte man zwei Triebwagen die für das Riggenbach-System adaptiert werden sollten. Diese sollten ein Fassungsvermögen von 70 Personen haben (50 Sitz- und 20 Stehplätze). Natürlich hätte man auch die Station sowie die Wagenhalle in Nussdorf elektrifizieren müssen, doch leider machte der Erste Weltkrieg (1914 – 1918) diesen Plan zunichte. Die Geschäftsgebarung wurde zu locker und nicht mehr umsichtig betrieben, was zur Folge hatte, dass die Fahrzeuge keiner geregelten Wartung unterzogen wurden.


Widerlager der einstigen Brücke über die Kahlenbergstraße
Von den 6 Zahnradlokomotiven wurden 3 Stück abgestellt und dienten als Ersatzteilspender. Nach absehbarer Zeit waren sie nur mehr Schrott. Der Betrieb wurde während des Krieges aufrecht erhalten. Erst nach dem Kriegsende 1918 wurde die Bahnlinie kurze Zeit nicht betrieben (wegen Kohlemangel). Die Verpflichtung der Bahn war, die Bewohner des Kahlenberges mit Wasser zu versorgen, dies wiederum trotz des enormen Kohlemangels.
1921 fuhr die Bahn zunächst noch nach Fahrplan, wobei der Verfall der Strecke seitens der Gesellschaft nicht mehr aufzuhalten war. Am 26. November 1921 fuhr der letzte Personenzug auf den Kahlenberg und retour. Im April 1922 brachte die Zahnradbahn noch Wasser mit den Wasserwägen auf den Kahlenberg, doch dies endete alsbald und der Verkehr wurde eingestellt. Im Dezember 1923 brannte das Stationsgebäude Grinzing, das eine Firma als Bauhütte nützte, zur Gänze ab.
Die Trasse oberhalb der ehemaligen Station Krapfenwaldl im heutigen Zustand
1925 konnte man die Hoffnung, die Strecke wieder zu betreiben, entgültig aufgeben, da sämtliche Fahrzeuge sowie die Einrichtungen verkauft wurden. Damit war das Ende der Bahn besiegelt und es gab kein Zurück mehr. Noch bevor die Bahn stillgelegt wurde, unterbreitet die AEG-Union ein Elektrifizierungsprogramm mit Triebwagen. Leider wurde auch dieses Vorhaben nicht verwirklicht, da die Gemeinde Wien damals kein Interesse zeigte. 1926 wurde das Heizhaus abgerissen und eine Grabsteinerzeugung etablierte sich auf dem Areal. Ein Großteil der Schienen wurde zum Bau der Industriebahn von der Säge Gutenbrunn zum Bahnhof Martinsberg-Gutenbrunn (Niederösterreich) verwendet. Die Stationsgebäude Krapfenwaldl und Kahlenberg blieben bis in die 50er Jahre erhalten, bis sie ebenfalls den Baggern zum Opfer fielen.

Die Kahlenbergbahn heute

Die Talstation ist bis heute erhalten geblieben, sie birgt ein Gasthaus in sich (Frank`s Gasthaus - Zur Zahnradbahn). Dort können Sie noch Fotos von damals begutachten. Ebenso sind die Widerlager über die Kahlenbergstraße sehr gut erhalten und der Verlauf der Trasse (Zahnradbahnstraße - Unterer Schreiberweg - Höhenstraße) ist ebenfalls noch nachvollziehbar.

 

Quellen:

Unvergessene Kahlenbergbahn
Autor: Hans Peter Pawlik
Verlag: Slezak
ISBN 3-85416-191-3

"Döbling und Währing“ - Wien in alten Ansichtskarten
Autor: Helmut Kretschmer
Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Felix Czicke
Verlag: Europ-Bibliothek
ISBN 90-288-3154-1

Wiener Bergbahnen
Autoren: Richard Heinersdorff
Herausgeber: Helfried Seemann, Cristian Lunzer
Album-Verlag
ISBN 3-85164-105-1

 

Bergbahnen im Wienerwald
Autor: Martin Fuchs
Verlag: Eigenverlag
ISBN 3-870944-150-2

Was dampft da auf den Kahlenberg?
Autor: Martin Fuchs
Verlag: Eigenverlag
ISBN 3-9501257-6-0

Bemerkung zu den historischen Bildern: Da wir trotz zweimaligen Telfonats mit Herrn Seemann bezüglich der Verwendung von Fotos aus dem Buch "Wiener Bergbahnen" keinen Rückruf (wie vereinbart) erhielten, haben wir uns erlaubt, die Bilder im Rahmen der künstlerischen Freiheit als Bleistiftzeichnungen darzustellen.

  

Franz Straka
Dipl.-Ing.(FH) Markus Müller

Mai 2006