Irland - Die West Clare Railway
Berichterstattung von Ing. Ortner Herbert, Gestaltung von Franz Straka
Schmalspurbahn in Irland - das hat vor allem im britisch beeinflussten Kulturkreis einen besonderen Klang, etwa so, wie wenn österreichische Eisenbahnfreunde von der vergangenen Schmalspurbahnherrlichkeit des Balkans ins Schwärmen geraten. Und Vergangenheit sind sie auch längst, die Schmalspurbahnen auf der grünen Insel - so wie auch der größte Teil des übergeordneten Breitspurnetzes, von dem nur noch ein dünner, sternförmig auf die Hauptstadt Dublin ausgerichteter Rest übrig geblieben ist. Einheitlich in der Spurweite von 3 Fuß (914 mm) errichtet, entstanden ab Ende des 19. Jahrhunderts 14 schmalspurige Streckennetze mit einer Gesamtausdehnung von ca. 530 Meilen (ca. 850 Kilometer).

Ein Zug hält in der Frühzeit der Bahn in Lahinch, dem ersten Ort an der Küste. (hist. Postkarte, Ende 19. Jahrhundert)
Die meisten dieser Bahnen führten durch nur spärlich besiedelte Regionen und schon früh waren sie der Konkurrenz des Straßenverkehrs nicht mehr gewachsen. Bis Ende der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts waren sie alle wirtschaftlichen Problemen zum Opfer gefallen. Fast alle waren bis zuletzt mit Dampflokomotiven betrieben worden. Versuche, den Personenverkehr durch den Einsatz von Dieseltriebwagen effizienter zu führen, blieben letztendlich erfolglos. Die mitunter eigentümlichen Konstruktionen dieser Fahrzeuge trugen aber einiges zum legendären Ruf der irischen Schmalspur bei.
Geschichte
Besonders der karge und dünn besiedelte Westen Irlands erwies sich als prädestiniert für die Errichtung von Schmalspurbahnen. So wurde auch die Fortsetzung der Breitspurstrecke nach Ennis, dem Verwaltungssitz des County Clare, an die Küste als Schmalspurbahn ausgeführt. Diese als West Clare Railway bezeichnete Bahn wurde 1887 eröffnet. Sie führte zunächst durch das Tal des Inagh in das Städtchen Ennistymon und dann weitgehend parallel zur Küste nach Miltown Malbay. Eine Verlängerung wurde 1890 als South Clare Railway konzessioniert, fertiggestellt war diese im Mai 1892. Sie führte von Miltown Malbay meist in Sichtweite der Küste nach Süden und verzweigte sich bei Moyasta in zwei Äste nach Kilkee und Kilrush. Der Abzweigbahnhof Moyasta wurde als Gleisdreieck angelegt, damit war auch ein direkter Pendelverkehr zwischen den beiden Endpunkten möglich. Betrieblich waren West und South Clare Railway eine Einheit, die unter dem Namen West Clare Railway (WCR) verkehrte und allgemein bekannt war.
 
Ein Personenzug im südlichen Endbahnhof Kilrush um 1900.

Die ersten Loks der WCR waren Dreikuppler. Lok 1 (Bagnall Nr. 793, Bj. 1887) um 1900.
 
Insgesamt 19 Dampflokomotiven verrichteten zwischen 1886 und 1956 ihren Dienst auf dem Streckennetz von 53 Meilen (ca. 85 km) weitgehend zufriedenstellend - wenn nicht gerade ein Gebrechen die Fahrt vereitelte. Mehrmals wurden Züge von Stürmen umgeworfen, als Gegenmaßnahme wurden daher einige Reisezugwagen mit Gewichten beschwert. Ein Zwischenfall ganz anderer Art ist in die irische Folklore eingegangen: Am Montag, dem 10. August 1896 stellte Lokführer Michael O'Laughlin ein Problem mit der Kesselspeisung an seiner Lok 8 fest und lies aus Sicherheitsgründen den Mittagszug nach Kilkee und Kilrush in Milton Malbay enden. Das Eintreffen einer Ersatzlokomotive sollte sich jedoch verzögern, da neben anderen Schwierigkeiten auch noch die Trasse für den Postzug um jeden Preis freigehalten werden musste. So kam es, dass die Fahrgäste erst mit mehr als vier Stunden Verspätung ankamen, unter ihnen auch der populäre Sänger und Entertainer Percy French. Sein Auftritt in Kilkee wäre längst vorbei gewesen, als er endlich im Saal ankam. Er revanchierte sich mit dem Spottlied „Are ye right there, Michael?“, das die Zustände auf der Bahn karikierte und bis heute dafür sorgt, dass sie nicht in Vergessenheit gerät.
 

Im 20. Jhdt. wurden stärkere Maschinen notwendig: Präsentation der 2'C-Lok 11 (Bagnall Nr.1889, Bj. 1908) im Bahnhof Kilkee. (Werksfoto Bagnall, 1908)
1925 wurde die Bahn von der Great Southern Railway of Ireland übernommen, 1945 ging diese in das neu gegründete staatliche Verkehrsunternehmen CIE auf, dem als Dachgesellschaft heute noch die Staatsbahn untersteht. Während in Irland das Nebenbahnsterben bereits in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts einsetze und bis zum Ende der 50er-Jahre praktisch alle Schmalspurbetriebe eingestellt waren, wagte man auf der WCR den Versuch einer umfassenden Modernisierung. Triebwagen
 
mit Verbrennungsmotoren waren auf der irischen Schmalspur bereits seit den 30er-Jahren im Einsatz. Eine weit verbreitete Bauweise war die einer zweiachsigen Zugmaschine mit stangengekuppelten Treibradsätzen und einem als Sattelauflieger ausgeführten Passagierwagen. Da diese Fahrzeuge nur über einen Endführerstand verfügten, mussten sie an den Endstationen auf einer Drehscheibe gewendet werden. Die letzten und modernsten Triebwagen dieser Art lieferte der Fahrzeughersteller Walker 1952 an die WCR. Die vier Triebwagen bedeuteten eine gewaltige Komfortsteigerung auf der Schmalspurbahn, so hatten überhaupt zum ersten Mal Fahrzeuge der WCR eine Heizung! (Zuvor waren in den Wagen Fußwärmer aufgestellt gewesen, in denen ein Stück Torf vor sich hin glühte.) Passende Beiwagen und Gepäckanhänger wurden in der eigenen Werkstätte auf altbrauchbaren Fahrgestellen aufgebaut.
 

Die 2'C-Lok Nr. 3 (Zweitbesetzung, Hunslet Nr. 1432, Bj. 1922) gehörte zu den beiden letzten für die WCR gebauten Dampflokomotiven. Sie waren mit Heusinger-Steuerung ausgestattet. (Werksfoto Hunslet, 1922)
Die Triebwagen waren ein voller Erfolg und so machte man sich auch an die Modernisierung des Güterverkehrs. 1955 lieferte Walker drei Diesellokomotiven der Achsfolge B0'-B0' mit Mittelführerstand, zahlreiche Komponenten waren mit den Triebwagen austauschbar. Damit war die West Clare Railway, als letzte irische Schmalspurbahn mit Personenverkehr, auch zur modernsten geworden. Die Dampflokomotiven wurden in den folgenden Jahren ausgemustert und mit einer einzigen Ausnahme verschrottet.
 
Trotz des augenscheinlichen Erfolges dieser Maßnahmen und beachtlicher Verkehrsleistungen schrieb die Bahn Verluste, die zur Einstellung des Betriebes mit 31. Jänner 1961 führten. Bereits am Tag darauf wurde mit der Abtragung der Gleise begonnen. Der damit notwendige gewordene Ausbau der Straßen kostete natürlich ein Vielfaches dessen, was der Weiterbetrieb der Bahn benötigt hätte. Nach Einstellung der Bahn wurden die Triebwagen an die staatliche Energiegesellschaft Bord na Mona verkauft, die die Sattelauflieger zu Personaltransportwagen für ihre umfangreichen Netze von Torfbahnen umbaute. Für die neuwertigen Dieselloks wurde lange Zeit vergeblich ein Käufer gesucht - eigentlich wäre in Irland auch nur mehr Bord na Mona in Frage gekommen - sie wurden um 1968 verschrottet. Als einzige Dampflokomotive überlebte zufällig Nr. 5 „Slieve Callan“: Sie wurde für Filmaufnahmen benötigt und danach in Ennis als Denkmal aufgestellt.
 
Die Museumsbahn
 
Anders als im benachbarten Großbritannien gibt es in Irland nur eine eher überschaubare Zahl von Eisenbahnfreunden und nur eine kleine Zahl von Museums- und Touristikbahnprojekten. Von mehreren Versuchen, die Schmalspur zurück auf die grüne Insel zu bringen, waren bereits einige aus finanziellen Gründen wieder gescheitert oder in Inaktivität versunken. So glaubte auch kaum einer, dass der irische Geschäftsmann Jackie Whelan damit Erfolg haben würde, die heruntergekommene Lok „Slieve Callan“ wieder auf die Schienen zu bringen. Er stieß auf gewaltigen Widerstand, als er sie 1997 von ihrem Standplatz in Ennis abholen lies. („Wir lassen uns unsere Lokomotive doch nicht von so einem Verrückten wegnehmen!“) Trotzdem konnte die 1892 bei Dübs in Glasgow gebaute C1-Lokomotive zur Eisenbahnwerkstätte von Alan Keef in Ross-on-Wye nach England gebracht werden, wo sie in jahrelanger Arbeit, nahezu einem Neubau gleichkommend, wieder reaktiviert wurde. Sie ist heute die einzige betriebsfähige Original-Lokomotive der historischen irischen Schmalspurbahnen.
 

Der Sprung in die Gegenwart: Lok 5 „Slieve Callan“ (Dübs Nr. 2890, Bj. 1892) wenige Tage nach ihrer ersten Fahrt als Museumslokomotive.
(Foto: Herbert Ortner )

Auch das Stellwerk im Bahnhof Moyasta wurde bereits originalgetreu nachgebaut. (Foto: Dr. Roman Klementschitz)
Währenddessen wurden am ehemaligen Abzweigbahnhof Moyasta erste Gleise verlegt, das Stationsgebäude restauriert, und darin ein Eisenbahnmuseum eingerichtet. Einige Jahre lang schon wurden auf einem Gleisstück in Richtung Norden Fahrten mit einer Tunnelbau-Diesellok und zwei alten Torfbahn-Personenwagen durchgeführt. Die Pläne von Mr. Whelan und seinen Mitstreitern gehen aber weiter: Die beiden Streckenäste nach Kilrush und Kilkee sollen wieder aufgebaut werden und als Touristenlinie die beiden Küstenorte, damals wie heute beliebte Ausflugsziele, miteinander verbinden. Das West Clare County Council hat bereits seine Unterstützung zugesagt: Die Trasse soll freigehalten werden und das Bahnprojekt wird in touristischen Konzepten eine mit den etablierten Sehenswürdigkeiten der Region vergleichbare Berücksichtigung finden. Das Geld dazu könnte unter anderem aus Förderungen der EU kommen. Von Moyasta in Richtung Kilkee wurden bereits Gleise verlegt, sie sind aber noch nicht befahrbar. Eine Straßenkreuzung harrt noch bürokratischer Hürden, aber einschlägige Spuren im Asphalt zeugen davon, dass gelegentliche Fahrzeugüberstellungen für das irische Improvisationstalent hier kein Problem sind.
 

Rechtzeitig zur Ankunft der Lokomotive wurde ein neuer Lokschuppen fertiggestellt.
(Foto: Herbert Ortner )

Am Bahnsteig im Bahnhof Moyasta. Die Wagen haben kurz darauf einen neuen Anstrich erhalten.
(Foto: Herbert Ortner )

 
Im Juli 2009 kehrte Slieve Callan zurück auf die Gleise der WCR, wo sie sogleich zum Einfahren und Testen den Publikumsverkehr auf der kurzen befahrbaren Strecke übernahm. Einer der ersten Fahrten konnte der zufällig anwesende Berichterstatter am 2. August bei typisch irischem Wetter beiwohnen, noch vor der offiziellen Präsentation. Diese fand dann bei Sonnenschein am 13. August statt. Auch wir erheben an dieser Stelle mit Freude unser Glas mit Guinness-Bier auf das Gelingen dieses ambitionierten Projektes!
 

Bemerkenswertes Detail der Loks 5 - 8: Die Laufachsen hatten den gleichen Durchmesser wie die Treibachsen und waren starr im Rahmen gelagert. (Foto: Herbert Ortner )

Als Schaustück wurde auf dem Lagerplatz der Museumsbahn eine alte Breitspurdiesellok aufgestellt. (Foto: Herbert Ortner )
 
Ein erfreulicher Nebeneffekt aus der Inbetriebnahme der Lok ergab sich für ein anderes Bahnprojekt, dessen Ende man schon nahen sah: Die Tunnelbaulokomotive wurde leihweise an die Tralee & Blennerville Railway auf der Dingle-Halbinsel abgegeben, die damit nach mehrjähriger unfreiwilliger Betriebspause erstmals wieder einen Fahrbetrieb durchführen kann.
 

Die ersten Gleise von Moyasta in Richtung Kilkee. Wenn alles nach Wunsch verläuft, werden hier schon bald Züge zu dem Küstenort dampfen. (Foto: Herbert Ortner )
Literatur und Weblinks
 

Patrick Taylor: The West Clare Railway , Plateway Press, 1994, ISBN 1-871980-16-X
James I. C. Boyd: Saga by Rail: Ireland , The Oakwood Press, 2006, ISBN 978 085361 651 1
YouTube-Videos (engl.):

Die Rückkehr von Slieve Callan wird gefeiert: http://www.youtube.com/watch?v=1rZdQf6uIdE

Are ye right there, Michael? Das Lied zur West Clare Railway: http://www.youtube.com/watch?v=7w7eH6JuL50

 
Berichterstattung von Ing. Herbert Ortner
Gestaltung von Franz Straka
Jänner 2010