Das Krokodil der Rhätischen Bahn (Baureihe Ge 6/6 I)

Berichterstattung: Hans Rudi Lüthy-Pavan, Franz Straka, Dipl.-Ing. (FH) Markus Müller

Die Kohlenknappheit und die dadurch sechsfach gestiegenen Kohlepreise gaben nach dem 1. Weltkrieg (1914 - 1918) den Ausschlag, die Albulastrecke möglichst bald zu elektrifizieren. Die Teilstrecke Thusis - Bever wurde bis Ende 1919 und die durchgehende Albulalinie Chur - Bever bis zum 1.4.1921 elektrifiziert. Die Firmen SLM und BBC entwickelten zu diesen Zeitpunkt eine geeignete Lokomotive für diese Bergstrecke. Die Bauform wurde von der RhB (Räthischen Bahn) gewählt, da eine rasche Wartungsmöglichkeit und damit die hohe Einsatzbereitschaft der Lokomotiven gegeben war.

Die Lokomotiven 412 und 414 in Bergün
Der Mittelführerstand gab dem Lokomotivführer das Gefühl von Sicherheit, da die Vorbauten wie bei einer Dampflokomotive eine Knautschzone darstellten. Die ersten sechs Lokomotiven wurden 1921 geliefert. Diese erste Serie begeisterte die Betreiber der RhB so sehr, dass eine Nachbestellung folgte. 1922 wurde das Krokodil, wie es im Fachbereich aufgrund seines Aussehens genannt wurde, in den Werken von SLM, BBC und MFO weitergebaut.
In den 1920er - Jahren zählte diese Schmalspurlokomotive mit einer Spurweite von 1000 mm zu den stärksten Lokomotiven der Welt und verdrängte schnell die Dampflokomotiven auf der Albulalinie. Für damalige Zeit kostete die Elektrolokomotive eine Menge Schweizer Franken, doch deren robuste Ausführung hat sich bewährt und man sah die Lokomotive vor allen Zugarten über den Albula.

Lokomotive 411 in Tiefencastel, 1946
Güterzug auf dem Landwasser-Viadukt
Der von der SLM gefertigte „Winterthurer Schrägstangenantrieb“ eignete sich für diese Anwendung hervorragend. Dieser Antrieb bewährte sich so sehr, dass die SLM diesen in der Folge in sämtlichen Lokomotiven (Schmalspur/Normalspur) einbaute. 1924 wurden vier, 1925 zwei und 1929 noch einmal drei Lokomotiven der Baureihe Ge 6/6 in Dienst gestellt. Die Lokomotiven dieser Bauart prägten über Jahre das Erscheinungsbild der RhB und sind noch heute bei den Eisenbahnfreunden sehr beliebt.
Zu Beginn der 1970er Jahre folgte die Auslieferung der Baureihe Ge 4/4 II. Die Überlegungen gingen so weit, dass man die Ge 6/6 I mit der Achsfolge C`C` vom regulären Betrieb wegbringen und nur mehr als Ersatzlokomotiven verwenden wollte. Dieses Vorhaben gelang nicht sofort, da der Verkehr (sowohl Personen-, als auch Güter-) auf der RhB zunahm und die Krokodile im Betrieb benötigt wurden, um die gestiegene Kapazität zu bewältigen.
Lokomotive 403 in Bergün, 1948
Lokomotive 411 mit Personenzug

Die Lokomotive 406 wurde 1984 auf dem ehemaligen Areal der ABB in Zürich-Oerlikon aufgestellt und übersiedelte einige Zeit später in das Werk Pratteln, wo sie das Firmenareal ziert. Leider ist dieses Exemplar nicht der Öffentlichkeit zugänglich. 1985 kam die Lokomotive 402 ins Verkehrshaus nach Luzern. Eine andere Maschine (Nummer 407) stand für einige Zeit als Denkmallokomotive vor einem Züricher Bankhaus.

Die Lokomotive 407 kam allerdings nach einiger Zeit wieder nach Graubünden zurück und wurde in der Nähe des Bahnhofs Bergün aufgestellt. Erst zu Beginn der 90er Jahre, mit der Lieferung der Baureihe Ge 4/4 III, entspannte sich die Lage und die Ge 6/6 I sah man immer seltener auf der Strecke vor planmässigen Zügen. Im Jahre 1996 ereilte die Lokomotive 413 das Schicksal der Verschrottung.


 
Lokomotive 414

2001 wurde dem Deutschen Museum in München die Lokomotive 411 geschenkt. Diese Lokomotive wurde nach einem Rangierunfall ausgeschieden und mit dem Waggon (Salonwagen) As 1154 aufgearbeitet. Laut Bahn TV wurde die Lokomotive nach Freilassing in ein neues Museum mit anderen Lokomotiven übersiedelt.

Technische Daten der Baureihe Ge 6/6 I
Betriebsnummern: 401 - 415 (Nostalgieverkehr: 412, 414, 415)

Spurweite: 1000 mm
Achsfolge: C´C´
Länge über Puffer : 13300 mm
Breite: 2650 mm
Höchstgeschwindigkeit: 55 km/h
Dienstgewicht:65,9 t
Anhängelast: 200 t, 160 t
bei 35 ‰ bzw. 45 ‰ Steigung
Leistung: 1200 PS
Treibraddurchmesser: 1070 mm (neu)
Drehzapfenabstand: 5670 mm
Fahrmotoren: 2 Stück vom Typ ELM 86/12, Spannung 11 kV AC, 16,7 Hz

Getriebeübersetzung: 1 : 4,134
max. Zugkraft am Rad: 195 kN
Dauerzugkraft am Rad:
115 kN

Hersteller:

Lokomotivkasten:
SLM
Drehgestelle:
SLM
Elektrischer Teil: BBC, MFO

Auslieferung: 1921
- 1929

 
Verbleib der Baureihe Ge 6/6
 

401: Unfall 1974, verschrottet 1975
402: Verkehrsmuseum Luzern
403: verschrottet 1984
404: verschrottet 1984
405: verschrottet 1984
406: 1984 an ABB, ausgestellt in Oerlikon, seit 1999 Denkmal im Werk Pratteln
407: 1985 an Schweizerische Bankgesellschaft, Zürich; seit 1994 Denkmal in Bergün
408: verschrottet 1984
409: verschrottet 1984
410: verschrottet 1984
411: seit 2006 im Museum Freilassing (D)
412: betriebsfähig, blaue Lackierung
413: verschrottet 1996
414: betriebsfähig
415:
betriebsfähig

 


Lokomotive 415, aufgenommen 1986

Neben dem Rhätischen Krokodil der Baureihe Ge 6/6 gibt es auch das Bernina-Krokodil Ge 4/4 mit der Nummer 82, welches ab dem Jahr 1961 die Betriebsnummer 182 bekam. Diese Lokomotive wird vom Club 1889 aufgearbeitet und soll in ein paar Jahren wider betriebsbereit sein.

 

Wir möchten uns bei unserem Mitarbeiter in der Schweiz, Herrn Hans Rudi Lüthy-Pavan für dessen Unterstützung bedanken.

 

Buch-Tipps:

Das große Krokodil Buch
Autor:Jörg Hajt
Verlag: Hell, 1998
ISBN 3-89365-715-0

Krokodil: Die Legende auf Schienen
Autor: Hans Bernhard Schönborn
Verlag: Gera Mond, 2003
ISBN: 3-7654-7124-0

Krokodil: Königin der Elektrolokomotiven
Autor: Christian Zellweger
Verlag: AS, 2005
ISBN: 3-909111-1-X

Modell-Tipp:

Modelle des Rhätisches Krokodils Ge 6/6 I führen oder führten folgende Firmen: Bemo, LGB, Ferro Suisse, Kiss (wobei die Fa. Kiss ihre Formen für Modelle im Maßstab Om wieder weiterverkauft hat).



Informationen zur Rhätischen Bahn
finden Sie unter www.rhb.ch

  

Hans Rudi Lüthy-Pavan
Franz Straka
Dipl.-Ing.(FH) Markus Müller

November 2006