Die Chiemseebahn

Ein Bericht von Franz Straka

Durch den Bau des Schlosses „Herrenchiemsee“ welches König Ludwig II. auf der Insel inmitten des Chiemsees erbauen ließ, sah auch der Unternehmer Ludwig Feßler für sein Schifffahrtsunternehmen wieder „Licht am Ende des Tunnels“. Für den Bau des Schlosses erhielt er den Auftrag, das gesamte Baumaterial auf die Insel zu transportieren. Das Schloß sollte eine Kopie von Schloß Versailles des franz. „Sonnenkönigs Ludwig XIV.“ werden.

Der Grundstein zum Bau auf der Herreninsel wurde am 21. Mai 1878 gelegt. Leider konnte Ludwig II. das Schloß nicht mehr selbst bewundern, da er am 13. Juni 1886 verstarb. Nach seinem Tod gab Prinzregent Luitpold von Bayern, Herrenchiemsee zur Besichtigung für die allgemeine Bevölkerung frei. Damit begann der Aufschwung der Schifffahrt, da sehr viele Besucher zum Schloß wollten. Vom Bahnhof zur Schifffahrt gab es aber keinen Zubringer. Dies erkannten Besitzer von Pferdefuhrwerken und chauffierten die Passanten vom Bahnhof zur Schifffahrt. Da die Fuhrwerke keiner Prüfung unterzogen wurden und es vermehrt zu Unfällen kam, wollte Ludwig Feßler diesem „wüsten Treiben“ ein Ende setzen. Am 31. August 1886 sprach er mit Vertretern der Lokomotivfabrik Krauss & Comp. in München, um über die Idee der Errichtung einer Verbindung zwischen dem Bahnhof (Prien) und der Schiffstation (Stock) zu verhandeln.

Die Dampflok der Chiemseebahn aufgenommen im Bahnhof Stock.

Georg Krauss (Inhaber der Lokomotiv-fabrik) und Ludwig Feßler verstanden sich gut und gründeten kurz darauf eine Geschäftsgemeinschaft. Obwohl man die anliegenden Gemeinden von einer Beteiligung nicht ausschloss, lehnten sie ab, da sie an der Rentabilität des Unternehmens zweifelten. Krauss und Feßler unterzeichneten am 15. März 1887 den Bauvertrag für eine schmalspurige Dampftrambahn von Prien nach Stock am Chiemsee. Den Bau sowie die Fahrzeuge und Hochbauten übernahm Krauss.

 
Die Diesellok bei der Ankunft im Bahnhof Stock.

Nur bei den Vermessungsarbeiten gab es eine Zeitverzögerung durch die notwendigen Grundstücksablösungen, die sich hinauszogen. Die Arbeiten zum Bau der Strecke übernahm die Lokalbahn-Aktiengesellschaft (LAG), die Krauss im Februar 1887 gründete. Man legte Wert darauf, den Damm von Anfang an stabil zu bauen, da Krauss einen höheren Raddruck miteinbezog, als zu dieser Zeit notwendig war. Da man keine Kunstbauten errichten musste, war es ein leichtes Unterfangen die Strecke rasch fertig zu stellen.

Der Wagen Nr. 7, abgestellt in Stock.  

Parallel zum Streckenbau wurde ein „Expeditlokal“ am Bahnhofsvorplatz errichtet (mit einem 2. Gleis, das zum Umsetzen für die Lokomotive verwendet wurde). Bei der Strecke von Prien-Bahnhof nach Stock/Chiemsee gibt es nach 0,5 Kilometer ein Gefälle von 10 . Dies ist das einzige Stück mit einem Gefälle bzw. mit einer Steigung. In Stock/Chiemsee wurden die Werkstätten inklusive der Fahrzeughallen errichtet, die den Fahrzeugen Schutz boten.

Für die Hochbauten wurde im Vertrag folgendes vermerkt: „Zu diesem Gebäude darf Holz vom Schloßbau-Chiemsee verwendet werden, muss aber von dementsprechender Stärke und Qualität sein.“ Quelle: Markus Hehl, Die Chiemseebahn, Ek-Verlag, Seite 67

Die auf 99 Jahre befristete Konzessions-urkunde traf am 5. Juni 1887 zum Bau der Bahnstrecke ein und war im Auftrag des Prinzregenten Luitpold unterschrieben. Nach Erhalt der Urkunde wurde die Firma „Chiemsee-Bahn Feßler & Comp.,Prien“ ins örtliche Handelsregister eingetragen. Einen Monat später, am 8. Juli 1887 war das letzte Gleis verlegt und die Waggons sowie die Lokomotive waren geliefert. Die vertragsmäßige Bauzeit wurde eingehalten und die Bahnlinie in nur 70 Tagen fertig-gestellt.

  Die Diesellokomotive beim Umsetzen im Bahnhof Stock.

 

Am 9. Juli 1887 wurde die Strecke, sowie die Dampflokomotive und die Waggons der technischen Prüfung unterzogen. Diesen Anlass feierten Ludwig Feßler und Georg Krauss gebührend mit der ortsansässigen Zeitung. Am Folgetag (10.Juli 1887) wurde die Bahn offiziell der Bevölkerung übergeben, wobei gemäß Fahrplan 11 Zugpaare in beiden Richtungen verkehren sollten. Der Andrang war so groß, dass der Fahrplan geändert werden musste und das Personal um 2 Mann aufgestockt wurde.

Die Dampflok wartet in Stock auf die Abfahrt in Richtung Prien.  

Bei der Chiemseebahn gab es eine 1. Klasse (Fahrpreis 60 Pfennig) und die 2. Klasse (30 Pfennig, für damalige Zeiten auch nicht gerade billig). Die erste Saison endete am 31. Oktober 1887 und man zog eine positive Bilanz, da man die Strecke nur in den Sommer-monaten betrieb, was bis dato beibehalten wurde. Im Winter 1887/88 wurde in Prien ein Umladegleis zur Staatsbahn gebaut und das Gleis in Stock bis zu den Landungssteg verlängert. Mit den zwei neuen offenen Güterwagen wurde Kohle für die Lokomotive, die Dampfer und für die Brauerei auf die Herreninsel geliefert.

1899 gab es konkrete Pläne, die Bahn und die Schifffahrt in eine AG umzuwandeln und die Gemeinde Priem wollte sich zu einem Drittel an der Bahn beteiligen. Dieses Vorhaben wurde von Ludwig Feßler gleich verworfen, da beide Firmen im Privatbesitz weitergeführt werden sollten. 1908/09 wurde durch den Umbau des Bahnhofes durch die Königliche Bayrische Staatsbahn die Station der Chiemseebahn von der Westseite auf die Ostseite verlegt. Den 1. Weltkrieg und den 2. Weltkrieg überstand die Chiemseebahn ohne Schäden. Von 1944 - 48 wurde die Bahn stillgelegt und erst im Sommer 1949 wieder in Betrieb genommen.

In den 50er und 60er Jahren nahm die Motorisierung zu, doch alledem überlebte die Bahn, auch wenn die Bilanzen nicht positiv ausfielen. Im Jahr 1961 wurden die Waggons auf eine Druckluftbremse der Firma Knorr umgerüstet, damit fiel das Bremsen per Hand bei einem 9-Wagenzug weg. Im Dezember 1963 gab es eine Wende in der Firma Feßler, denn man entschied sich, einen Busbetrieb zwischen Stock und Priem einzuführen um die Bahn bei starken Verkehrsaufkommen zu unterstützen.  
  Der Salonwagen Nr.1.
 

Dadurch konnte man die Personen auch im Winter, wo die Bahn nicht verkehrte, nach Stock bringen und der restliche Ort wurde ebenfalls angeschlossen. Am 5.7.1965 wurde die Firma „Chiemsee - Bahn, Feßler & Comp., Prien aufgelöst und in die Chiemsee - Schifffahrt Ludwig Feßler eingegliedert. Gleichzeitig schieden auch die Erben von Georg Krauss aus dem Geschäft aus. 1966 wurde der Kohletransport auf der Chiemsee-Bahn eingestellt, da der LKW günstiger die Fracht an Ort und Stelle brachte.

Der abfahrbereite Zug im Bahnhof Stock.  

Das Umladegleis in Prien, sowie jenes in Stock wurde abgebaut. Im Dezember 1982 erwarb man eine gebrauchte Diesellokomotive (125 PS), die dem Aussehen der Dampflokomotive angepasst wurde. Sie dient als Unterstützung für die alte Dampf-lokomotive, vor allem, wenn an ihr aufwendige Erhaltungs- bzw. Reparaturarbeiten durchgeführt werden. Im Jahre 1986 wurden die beiden Stationen (Prien und Stock) neu angelegt und die Gleisanlagen instandgesetzt. 1987 feierte die Bahn ihr 100- jähriges Bestehen, bei dem die Dampflokomotive wieder ihre alten Petroleumlampen erhielt. Am 29. April 1995 wurde der Salonwagen, der 18 Jahre im Museum Marxzell hinterstellt war (SKGLB Lokomotive Nr. 12 war ebenfalls in Marxzell hinterstellt, siehe Bericht „Revitalisierung der Lokomotive Nr. 12), wieder in Betrieb genommen. Die Chiemseebahn blickt bereits ihrem 120 -jährigen Jubiläum entgegen und es ist ein würdiger Anlass dieses zu feiern.

Sehenswürdigkeiten am Chiemsee: Chiemseebahn, Fraueninsel, Herreninsel, historischer Stadtteil,...
 
Technische Daten der Chiemseebahn
 
Spurweite: 1000 mm Streckenlänge: 1,91 km
Gleislänge: 2,22 km Größte Steigung: 1:400
Kleinster Kurvenhalbmesser: 60 m Streckenhöchstgeschwindigkeit: 20 km/h
Metergewicht der Schienen: 16,5 kg Weiche: 7 Stück (händisch umzustellen)
Achslast: 7,5 t Baukosten 1888: 152 696 Reichsmark
   
Daten der Dampflokomotive:
   
Baujahr: 1887  
Höchstgeschwindigkeit: 15 km/h
Länge über Puffer: 5100 m
Achsanordnung: B
Leergewicht: 10,7 t
Dienstgewicht: 13,3 t
Wasservorrat: 1,12 m³
Kohlevorrat: 0,6 t
Kessel alt: Krauss/1887
Kessel neu: Jung/ Einbau 1957  
Raddurchmesser: 800 mm
Gesamtachsstand: 1800 mm Detailansicht des Triebwerks der Dampflok.
Kolbenhub: 350 mm  
Zylinderdurchmesser: 225 mm  
 
Daten der Diesellokomotive:

 

 
Baujahr: 1962  
Höchstgeschwindigkeit: 18 km/h  

Länge über Puffer: 6160 mm

Achsanordnung: B
Dienstgewicht mit 2/3 Vorrat: 14,0 t
Gesamtachsstand: 1450 mm
Leistung:151 kW
Raddurchmesser: 550 mm
Kraftstoffvorrat: 125 l  
Leistungsübertragung: hydraulisch
Motor neu 1990/91: MAN Typ D 2866 E
Motor alt: Deutz-Motor bis 1990 Die Diesellok wartet im Bahnhof Stock auf ihren nächsten Einsatz.
   
 
Daten der Personenwaggons:
   

1 Stück I. Klasse: Baujahr: 1887; Personen: 24; Länge über Puffer: 8400 mm
Bauart: geschlossen (Salonwagen)

 

2 Stück II. Klasse: Baujahr: 1887; Personen: 32; Länge über Puffer: 8400 mm
Bauart: geschlossen

 

5 Stück II. Klasse: Baujahr: 1887; Personen: 32; Länge über Puffer: 8400 mm
Bauart: halboffen

 

1 Stück I/II. Klasse: Baujahr: 1888; Personen: 8/16; Länge über Puffer: 8400 mm
Bauart: mit Gepäckraum

 

Daten der Güterwaggons:

 

Baujahr: 1888; Tragkraft: 5,5 t; Länge über Puffer: 6830 mm; Radstand: 2700 mm
Ladefläche: 15 qm; Verschrottung Wagen 1: ca. 1966;
Verschrottung Wagen 2: 1987 (Achsen heute noch vorhanden)

   

Ich möchte mich bei der Belegschaft der Chiemseebahn für das freundliche Entgegenkommen und bei Herrn Dr. Schaffer für die Überarbeitung der Berichte bedanken.

 

Buch-Tipp:

Die Chiemseebahn (gebunden)
Band 6
3-88255-806-7
Autor: Markus Hehl  EK-Verlag

Modell-Tip:

Regner Dampf- und Eisenbahntechnik
91589 Aurach
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Franz Straka
Oktober 2005